Der Donnerstag, 26. April, war bisher der ärgste Frühaufsteh-Tag – konkret ging der Wecker um 05:15 Uhr, damit wir pünktlich und reisefertig am Gruppen-Treffpunkt sein konnten. Unsere Reiseführerin Huing, Übername „Lili“, nahm uns in Empfang und erklärte uns danach ausführlich die einzelnen Orte und Sehenswürdigkeiten.
Shanghai, die „Stadt über dem Meer“, ist mit 23 Mio Einwohnern die zweitgrösste Stadt von China – die grösste Stadt („Tchong Xing“ oder so ähnlich, kenne aber kein Ausländer) hat anscheinend 32 Mio Einwohner; Peking liegt erst an dritter Stelle. Shanghai hat eine Fläche von ca. 6’300 km2 (90 x 70 km) und befindet sich in der Mündung des Yangtse-Flusses. 18 Mio Personen wohnen direkt in der Stadt und ca. 5 Mio pendeln vom Land in die Stadt – die Arbeitslosigkeit beträgt etwa 4.2%. Es arbeiten ca. 300’000 Ausländer hier und die Stadt verfügt über 2 internationale Flughäfen und etwa 3.5 Mio private Fahrzeuge. Scherzhaft bezeichnen die Einwohner Shanghai auch als den „grössten Parkplatz der Welt“, weil aufgrund des vielen Verkehrs manchmal nichts mehr geht.
Mit dem Wetter hatten wir Glück – es war angenehm sonnig und warm (23 Grad), die letzten Tage war es regnerisch. Die Temperaturen reichen von 2 Grad im Winter bis zu 42 Grad im Sommer mit 100% Luftfeuchtigkeit (ca. 90 Sonnentage pro Jahr, sonst eher dunstig). Vor allem im Sommer gehen die Leute auch gerne direkt mit dem Pyjama auf die Strasse, weil das die luftigste Kleidung ist. Dies entspricht übrigens einer Tradition – das Motto von Shanghai lautet darum auch „Hier kann man alles anziehen und alles kaufen“. Gemäss Lili gilt für die kantonesische Region das Motto „Hier kann man alles essen“ und für Peking „Hier kann man alles sagen“.
Das Stadtgebiet wird in einen Ost- (Pu Dong) und einen Westteil (Pu Xi) unterteilt, wobei der östliche Teil neu ist – vor etwa 7 Jahren war da noch praktisch nichts; vor allem im Hinblick auf die EXPO 2010 wurde sehr viel neu gebaut. Shanghai hinterlässt übrigens einen sehr „grünen“ Eindruck, es hat viele Pflanzen und Grünanlagen – tatsächlich sollen auch 35% der Stadtfläche mit Grün bedeckt sein. Die Magnolie gilt übrigens als Blume der Stadt.
Als erstes sind wir zum Shanghai World Financial Center gefahren, das ist das aktuell höchste Gebäude in Shanghai, und eines der heute über 7’000 existierenden Hochhäuser in Shanghai. Dort ging es mit einem Expresslift in weniger als einer Minute in den 94. Stock auf 423 Meter hinauf, wo wir einen Blick auf die umliegenden Gebäude und den Huangpu-Fluss werfen konnten.
Danach fuhren wir mit dem Bus zur „Longyang Road Station“, von dort fährt der Shanghai Maglev Train (Maglev steht für Magnetic Levitation Train – Magnetschwebebahn) zum Pudong International Flughafen, der seit 1999 offen ist. Speziell an dem Zug ist die Tatsache, dass es sich gemäss Guinness Buch der Rekorde ‚um das aktuell schnellste Transportmittel auf dem Boden‘ handelt – der Zug fährt die 30 Kilometer lange Strecke in 8 Minuten, die maximale Geschwindigkeit beträgt dabei 431 km/h. Nach diesem Express-Abenteuer mussten wir am Flughafen etwas länger warten, bis uns der Bus wieder abholen kam – der kann natürlich mit diesem Tempo nicht mithalten.
Weiter gings dann in die alte Stadt (d.h. den westlichen Teil), wo wir im „Lu Bo Lang“ zu Mittag gegessen haben – das Restaurant ist anscheinend China-weit bekannt (vermutlich v.a. aufgrund der prominenten Besucher, wie wir den Fotos an der Wand entnehmen konnten). Zum Essen wünscht man sich anstelle des bei uns üblichen „en Guete“ hier übersetzt ein „langsam essen“. Wie in letzter Zeit üblich, gab es primär Dim Sum mit unterschiedlichen Füllungen zu essen – in der Reisegruppe wurde der Wunsch geäussert, dass mal wieder eine Bratwurst mit Pommes frites fällig wäre… 🙂
Nach dem Mittagessen ging es via einer Zick-Zack-Brücke in den Yuyuan Garten, welcher über 400 Jahre alt ist und in der Ming Dynastie von einem Finanzminister für seine Eltern zur Erholung erstellt wurde. Im 40’000 m2 grossen Garten ist es dank vielen Bäumen und Wasserläufen angenehm kühl – auch darum ist der Garten ein beliebtes Ausflugsziel. Mit „Zick-Zack-Brücke“ ist übrigens die Tatsache gemeint, dass die Brücke nicht gerade verläuft, sondern eben im Zick-Zack, so dass die Geister nicht darüber gehen können. Wegen der bösen Geister haben die alten Häuser in China übrigens hohe Türschwellen, weil so die Geister nicht hineinschleichen können. Generell haben viele Dinge für die Chinesen eine spezielle Bedeutung – beispielsweise Zahlen: 4 = Tod, 6 = alles Gute, 8 = Reichtum, 9 = langes Leben. Bei den Gegenständen steht eine Vase für „Ruhe“ und ein Spiegel für „Frieden“, bei den Tieren ein Drache für Glück und Macht und eine Fledermaus steht für ein langes Leben.
Nach der Garten-Tour kamen wir in den Genuss einer Tee-Zeremonie im „Fenghui Teahouse“, in welchem wir verschiedene Tee’s probieren konnten, welche frisch zubereitet wurden. So eine Zeremonie würde regulär 3-4 Stunden dauern – wir hatten knapp 30 Minuten, darum hat es auch nicht für viele Teesorten gereicht. Beim Jasmin-Tee war interessant, wie sich die Blumenblüte im heissen Wasser öffnet. Und der Ginseng Tee wurde als Männer-Tee vorgestellt, hilft beim Abnehmen und stärkt die Abwehrkräfte. Zu denken geben kann einem die Aussage, dass die Chinesen nur frischen Tee aus der ersten oder zweiten Ernte trinken und der Tee aus der dritten Ernte dann zu Teebeuteln verarbeitet wird…
Zuletzt besuchten wir zur Abwechslung mal wieder einen Tempel, diesmal einen mit Jade-Buddhas. Speziell dabei ist, dass in dem Tempel, welcher 1882 gebaut wurde, auch Mönche leben und in dem Tempel zwei verschiedene Buddhas (einer liegend, einer sitzend) aus Jade besichtigt werden können. Der sitzende Buddha (grüne Jade) ist 195 cm hoch und etwa 3 Tonnen schwer, der liegende Buddha (aus weisser Jade) ist etwas kleiner – beide stammen ursprünglich aus Burma. Die Farben werden natürlich auch wieder assoziiert: grün mit einem langen Leben und weiss mit Weisheit. Nicht das erste Mal haben wir bei einem Tempel-Besuch auch das Hakenkreuz auf der Brust der Buddhas gesehen – dies steht im Buddhismus aber seit jeher für Glück. Schade, dass man dies bei uns automatisch komplett anders interpretiert.
Bei diesem Mammut-Programm konnten wir uns gar nicht mehr um’s Shopping kümmern – empfehlenswert wäre anscheinend die Nanjing Road, deren Ursprünge bis ins Jahr 1840 zurückreichen. Die grösste Auswahl an Imitaten gibt es gemäss dem schiffseigenen Reisespezialisten (Port Lecturer) in Hancity bzw. unter dem Shanghai Science & Technology Museum (ca. 1’000 Shops) – da müssen wir dann wohl das nächste Mal hin… 🙂